Rundbrief Nr. 34 vom 05. Juni 2014 - Osterzeit 2014 - Plädoyer für die heilige Beichte -
Der Papat gegen Generalabsolution
Heute möchte ich Ihnen zwei Beiträge über die heilige Beichte vorstellen. Der erste soll Sie ermutigen, recht oft zur heiligen Beichte zu gehen, der zweite Beitrag über die Generalabsolution.
Plädoyer für die heilige Beichte von Dr. Andreas Schönberger
Jemand ging kürzlich zur Beichte in einer Jesuitenresidenz. Der Pater, er war schätzungsweise über 60 Jahre alt, stellte unmittelbar nach dem Sündenbekenntnis die Frage: „Warum gehen Sie alle 14 Tage beichten?“ Daran schloß sich die Ermahnung, in Zukunft das Bußsakrament weniger häufig zu empfangen. Diese für den Kurswert der Beichte, und vor allem der so genannten „Andachtsbeichte“ bezeichnende Begebenheit stellt sicher keinen Einzelfall dar. Noch vor einem Jahr etwa erklärte ein Dechant öffentlich, obwohl die Bußandacht noch nicht als Sakrament anerkannt sei, habe diese Art der Sündenvergebung sakramentalen Charakter. Qualitativ bestehe kein Unterschied zwischen Bußandacht und Ohrenbeichte. Das werde Rom sicher bald erkennen. Nun, Rom hat ganz klar die traditionelle Lehre bestätigt, daß die sakramentale Lossprechung an die Ohrenbeichte gebunden bleibt (Seelsorgliche Richtlinien für die sakramentale Generalabsolution vom 16. 6. 1972).
Wird damit der Streit um die Ohrenbeichte beendet sein, so wie es in dem lateinischen Spruch heißt: „Roma locuta, causa finita?“ Rom hat zwar gesprochen, muß man heute schon übersetzen, aber damit ist die Sache noch lange nicht erledigt. Denn seitdem Rom aufgehört hat, die Häretiker beim Namen zu nennen - vom Bannfluch ganz zu schweigen - gibt es in der Kirche viele Lehrämter. „Theologen“, Professoren, fortschrittliche Laien und die Massenmedien werden weiter nichts unversucht lassen, um die Beichte - wenn notwendig über die Bußandacht - abzuwürgen. Und ohne Zweifel haben sie starke Kräfte hinter sich. Auch wer im Allgemeinen nicht geneigt ist, gleich den Teufel an die Wand zu malen, wird zugeben müssen, daß es nur der böse Geist selber sein kann, der den Kampf gegen das Bußsakrament führt. Denn der Beichtstuhl ist nach der Taufe der Ort, wo Satan die schlimmsten Niederlagen erleidet.
Aber der Teufel hat noch einen anderen Grund, warum er die Beichte in Mißkredit zu bringen sucht: Die Sünde soll der Vergessenheit anheim fallen und damit seine eigene Existenz und die Notwendigkeit der Erlösung. Hinter der Diskussion um die Ohrenbeichte verbirgt sich also letztlich die Frage nach dem Wesen des Christentums. Ein moderner Theologe, P. Molininie O. P., meint dazu: „Wenn der Mensch vorgibt, selbst für seine Fehler einzustehen, dann wird er sie sehr bald der Bosheit entkleidet haben, die ihnen anhaftet, um sie auf ein reines und einfaches Versagen gegenüber den Forderungen seines Menschseins zu reduzieren. In den Augen der meisten Hirten von heute besteht die einzige ernst zu nehmende Sünde darin, nicht mündig zu sein bzw. es nicht werden zu wollen. Das beweist klar, daß die christliche Moral faktisch dabei ist, ihren Platz derjenigen der Psychoanalytiker einzuräumen. Dieses Ergebnis ist aber unausweichlich in dem Augenblick, wo man aufhört, Satans Existenz und Einfluß in der Welt ernst zu nehmen.“ Unter dem Druck dieser neuen Moral geht man übrigens mehr und mehr dazu über, auch die bösen Engel in das Reich der volkstümlichen Mythologie zu verbannen. Die moderne Schriftauslegung steht allem, was nach „wunderbar“ aussieht, mißtrauisch gegenüber. Und diese einfache Allergie in Verbindung mit dem Fehlen metaphysischer Einsichten führt sie praktisch dazu, jeder unsichtbaren Wirklichkeit mit Skepsis zu begegnen. Vor allem aber möchten die Menschen unserer Zeit, die so begierig sind, den Dämon und den Horror auf der Leinwand und auf Plakaten zu betrachten, im Hinblick auf ihre Sünden in Sicherheit gewiegt werden. Darum sollte aus ihnen alles entfernt werden, was daraus ein Drama machen könnte - und sei es das Drama der Erlösung. Und sie, die der Angst vor der unmittelbaren Zukunft Ausgelieferten, wollen um jeden Preis von den Ängsten des ewigen Lebens befreit werden.
Der Dechant, von dem eingangs die Rede war, verschaffte seinen Zuhörern die gewünschte Sicherheit, indem er behauptete, die Sünde sei nur dann tödlich, wenn sich der Mensch bewußt von Gott abwende und diese Entscheidung aus der Mitte der Person heraus vorsätzlich fälle. Nur wenn sich der ganze Mensch gegen Gott stelle, könne man von einer Todsünde reden. Die Todsünde stelle aber heute die Ausnahme dar und nur diese Todsünde bedürfe des Beichtstuhls. Auf solche Art läßt sich dann die Bußandacht sehr leicht als das zeitgemäße Mittel der Sündenvergebung begründen. Ja, man vertritt sogar die Auffassung, die gemeinsame Bußfeier entspreche eher dem geänderten Sündenbewußtsein unserer Zeit als die Beichte. Und in der Tat betrachten viele Geistliche und Prediger die Sünde nur noch in ihren äußeren und kollektiven Auswirkungen: Unterernährung und Analphabetentum der Dritten Welt; Kapitalismus und galoppierendes Bevölkerungswachstum, Mißbräuche der Wohlstandsgesellschaft, Kriege usw. Das gesellschaftliche Übel erhält den Vorrang vor der persönlichen Ungerechtigkeit des Einzelmenschen vor Gott. Dem Primat des gesellschaftlichen Aspektes der Sünde entspricht daher auch die „gemeinsame Gewissenserforschung“ in der Bußfeier. Die Generalabsolution - die nach den Richtlinien der Glaubenskongregation nach wie vor auf Situationen gemeinsamer Todesgefahr und dringende Notfälle beschränkt bleiben muß - betont darüber hinaus indirekt die soziale Seite der Versöhnung mit der Kirche, während die Hauptsache der Buße - die Aussöhnung mit Gott in den Hintergrund tritt.
Zur Rechtfertigung der Bußfeiern wird oft die Praxis der alten Kirche herangezogen, die bis ins 4. und 5. Jahrhundert nur den öffentlichen Büßer kannte. Man übersieht dabei jedoch, daß „der Eintritt in den Stand der Büßer den bürgerlichen Tod bedeutete (Cyrille Vogel). Daß die damaligen Bußliturgien mit äußerst demütigenden Riten verbunden waren: öffentlicher Tadel durch den Bischof, Bußgürtel und Trauerkleider, Ausschluß von der Eucharistie, besonderer Platz in der Kirche. Daß die Bußen sehr hart waren: Lange Gebete, Abtötungen verschiedener Art, Fasten, völlige eheliche Enthaltsamkeit, Verbot des Waffentragens oder Handel zu treiben, Abdankung von öffentlichen Ämtern und Ehrenfunktionen usw. Vergleicht man damit eine moderne Bußfeier, dann muß man leider feststellen, daß sie letzten Endes nur darauf abzielt, es dem Sünder noch leichter zu machen als bei der Ohrenbeichte. Indem sie ihn des persönlichen Sündenbekenntnisses enthebt, nimmt sie dem Bußsakrament die einzige noch verbliebene Härte, die Verdemütigung vor dem Priester. Die gemeinsame Bußfeier mag zwar eine gute Vorbereitung auf die Beichte sein - und so sieht sie die Glaubenskongregation in ihren Richtlinien - da, wo sie aber die Ohrenbeichte verdrängt, beraubt sie das christliche Volk eines wesentlichen Mittels der persönlichen Heiligung. In der Tat, die häufige Beichte vermehrt die Selbsterkenntnis, begünstigt die christliche Demut, trägt zur Ausrottung der schlechten Gewohnheiten bei, bekämpft die geistliche Nachlässigkeit und die Lauheit, reinigt das Gewissen und vermehrt durch ihre sakramentale Wirksamkeit die heiligmachende Gnade.
Abbe Huvelin, der in der Krypta der Kirche Sankt. Augustin in Paris die Beichte des Leutnants Charles de Foucauld abnahm und so zum Werkzeug seiner Bekehrung wurde, hat einmal gesagt: „Ich kann niemanden anschauen, ohne danach zu verlangen, ihm die Lossprechung zu geben.“ „Alles, was in der Kirche an Heiligkeit, Frömmigkeit, Gottesverehrung verbleibt, ist zum großen Teil die Wirkung der Beichte“, erklärte das Konzil von Trient.
Die leeren Beichtstühle sind neben den sich leerenden Gottesdiensten die sichtbarsten Zeichen für den Niedergang des christlichen Lebens. Sie sind eine Anklage gegen jene Priester, die aus welchen Gründen auch immer die Bedeutung der Beichte herabsetzen und dem Gottesvolk den Empfang des Bußsakramentes verleiden.
„Priester, seid die Gefangenen eures Beichtstuhls“, schreibt Pfarrer Auneau in seiner Zeitschrift „Pres d’elle.“ „Hier, im stillen Zwiegespräch mit dem, der vor euch kniet, könnt ihr alle Möglichkeiten eures Priestertums entfalten. Wie viele Seelen würden zu hoher Heiligkeit gelangen durch den Dienst heiliger Priester! Hätte Abbe Huvelin seinen Posten in der Kirche St. Augustin verlassen, er hätte den Leutnant de Foucauld verfehlt. Welcher Verlust, für den er ewig verantwortlich wäre! Daran sollten wir Priester denken.“ Der Pfarrer berichtet dann, was ein Freund ihm erzählte:
„Ich war eben erst geweiht worden, als ein Pfarrer mich bat, das Fest Mariä Himmelfahrt mit ihm zu verbringen. Am Vorabend sollte ich ihm im Beichtstuhl aushelfen. Er zeigte mir diesen, verloren in einem Seitenschiff, den er erst einmal reinigen mußte. Er wurde so gut wie nie benutzt. Ich ließ mich am Ende einer Bank in der Nähe des Beichtstuhls nieder und wartete ... Die Schlangen der Beichtenden drängten zum Pfarrer, ohne den jungen Priester auch nur eines Blickes zu würdigen, der meinte, er dürfte nun seine ersten Lossprechungen erteilen.
Die Stunden vergingen, doch niemand kam. Enttäuscht zählte er das Klappern der Beichtschalter, die sich im Hauptschiff schlossen oder öffneten. Die Langeweile, die Müdigkeit, das Gefühl überflüssig zu sein, überfielen mich ... Es war schönes Wetter und ich bekam Lust, spazieren zu gehen ... Ich widerstand der Versuchung und blieb von 14 bis 19 Uhr auf meinem Sitz. Eine erste Erfahrung, Herr, die nicht ohne ist!“ Ich schaute oft auf meine Uhr. Wann endlich wird die Beichtzeit vorüber sein? Und dann war sie vorbei. Die Befreiung! Ich kniete nieder zu einem letzten Gebet, als sich das große Tor der Kirche öffnete. Ein noch junges Beichtkind kniete sich in die Bank vor mir! Ich werde also doch nicht ganz umsonst gewartet haben. Sie betritt den Beichtstuhl, ich folge ihr und befinde mich vor meinem erstes Beichtkind. Was ich zunächst höre, erschreckt mich: „Verfluchen Sie mich, mein Vater, denn ich bin ein Ungeheuer!“ - „Sie verfluchen? Aber ich bin doch hier, um Sie zu segnen!“ - „O, wenn Sie wüßten, mein Vater!“ „Fangen Sie ruhig an!“ Und sie bekennt aufrichtig. In der Tat, alle menschlichen und göttlichen Gesetze klagten sie an. - „Bereuen Sie Ihre Sünden?“ „O ja!“ „Dann erwecken Sie einen Akt der Reue und ich verzeihe Ihnen im Namen Christi.“ Und wo ist das junge Mädchen hingekommen? Sie ist kürzlich gestorben, und zwar in einem Karmel. Ihre Oberin sagte zu mir: „Sie ist die Perle der Perlen, sie ist das Kleinod meiner Gemeinschaft.“ Immer wieder denke ich an jene erste, so eindrucksvolle Lossprechung an einem Vorabend des 15. August.
„Ad montem, qui Christus est.“ „Zu dem Berge, der Christus ist“, ist der Weg oft steil und hart. Die Beichte erleichtert und beflügelt unseren Aufstieg zu Ihm.
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Der Papst gegen Generalabsolution
Nachdem ich die Kongregation für die Glaubenslehre, die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, und den Päpstlichen Rat für die Auslegung von Gesetzestexten angehört, sowie die Meinung der verehrten Brüder Kardinäle, die den Dikasterien der Römischen Kurie vorstehen, eingeholt habe, bestätige ich die katholische Lehre über das Sakrament der Buße und der Versöhnung, die im Katechismus der Katholischen Kirche zusammenfassend dargestellt ist. Deshalb bestimme ich im Wissen um meine pastorale Verantwortung und im vollen Bewußtsein über die immer aktuelle Notwendigkeit und Wirksamkeit dieses Sakramentes Folgendes:
Die Ordinarien sollen alle Spender des Sakramentes der Buße daran erinnern, daß das universale Gesetz der Kirche unter Anwendung der diesbezüglichen katholischen Lehre folgendes bestätigt hat:
„Das persönliche und vollständige Bekenntnis und die Absolution bilden den einzigen ordentlichen Weg, auf dem ein Gläubiger, der sich einer schweren Sünde bewußt ist, mit Gott und der Kirche versöhnt wird; allein physische oder moralische Unmöglichkeit entschuldigt von einem solchen Bekenntnis; in diesem Fall kann die Versöhnung auch auf andere Weisen erlangt werden.“
Deshalb ist „jeder, dem von Amts wegen die Seelsorge aufgetragen ist, zur Vorsorge dafür verpflichtet, daß die Beichten der ihm anvertrauten Gläubigen gehört werden, die in vernünftiger Weise darum bitten, des Weiteren, daß ihnen an festgesetzten Tagen und Stunden, die ihnen genehm sind, Gelegenheit geboten wird, zu einer persönlichen Beichte zu kommen.“ (...)
Gegen Generalabsolution
Da „der Gläubige verpflichtet ist, alle nach der Taufe begangenen schweren Sünden, deren er sich nach einer sorgfältigen Gewissenserforschung bewußt ist, nach Art und Zahl zu bekennen, sofern sie noch nicht durch die Schlüsselgewalt der Kirche direkt nachgelassen sind und er sich ihrer noch nicht in einem persönlichen Bekenntnis angeklagt hat,“ muß jede Praxis mißbilligt werden, die die Beichte auf ein allgemeines oder auf das Bekenntnis nur einer oder mehrerer für gewichtiger gehaltene Sünden beschränkt. Indem man der Berufung aller Gläubigen zur Heiligkeit Rechnung trägt, wird ihnen andererseits empfohlen, auch ihre läßlichen Sünden zu bekennen.( ... ) Die in can. 961 des kirchlichen Gesetzbuches vorgesehene Absolution, die mehreren Pönitenten gleichzeitig und ohne vorausgehende Einzelbeichte erteilt wird, muß im Licht und im Rahmen der vorangehenden Normen verstanden und entsprechend angewendet werden. Sie hat nämlich „den Charakter einer Ausnahme“ und kann in allgemeiner Weise nur erteilt werden:
wenn Todesgefahr besteht und für den oder die Priester die Zeit nicht ausreicht, um die Bekenntnisse der einzelnen Pönitenten zu hören; wenn eine schwere Notlage besteht, das heißt, wenn unter Berücksichtigung der Zahl der Pönitenten nicht genügend Beichtväter vorhanden sind. (...)
Priestermangel kein Grund
Die beiden im Kanon festgelegten Voraussetzungen für die schwere Notlage dürfen nicht voneinander getrennt werden; deshalb reicht allein die Unmöglichkeit, wegen Priestermangels den Einzelnen die Beichte „ordnungsgemäß“ „innerhalb einer angemessenen Zeit“ abzunehmen, niemals aus; diese Unmöglichkeit muß mit dem Umstand verbunden sein, daß andernfalls die Pönitenten gezwungen wären, ohne ihre Schuld „längere Zeit“ die sakramentale Gnade zu entbehren. Daher muß die Gesamtsituation der Pönitenten und der Diözese im Hinblick auf ihre pastorale Organisation und auf die Zugangsmöglichkeit der Gläubigen zum Sakrament der Buße berücksichtigt werden.
Ab sofort gültig
Ich bestimme, daß alles, was ich mit dem vorliegenden Apostolischen Schreiben in Form eines Motu proprio festgelegt habe, volle und bleibende Gültigkeit habe und vom heutigen Tag an eingehalten werde, ungeachtet jeder anderen gegenteiligen Anordnung.
Gegeben zu Rom, bei Sankt. Peter, am 7. April, 2. Sonntag der Osterzeit oder Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit (Weißer Sonntag), im Jahr des Herrn 2002, dem 24. Jahr meines Pontifikats. - Johannes Paul II.